Sonntag, 6. Februar 2011

Gänsereiten - was ist das?

Die tote Gans, die kopfüber über einer Reitbahn in Bochum baumelt, starb zu Unterhaltungszwecken. Sie starb für die Reiter des Gänsereiter-Clubs. Wer ihr den Kopf abreißt, darf sich für ein Jahr König nennen.

„Federn fliegen durch die Luft, die geschundenen Leiber schlagen Purzelbaum ... "
Als Ende des 16. Jahrhunderts spanische Söldner im Zuge des spanisch-niederländischen Erbfolgekrieges in Teile Westfalens und des Rheinlands einfielen, rissen sie den Gänsen der Bauern bei lebendigem Leib den Kopf ab. Verkehrte Welt: Aus dem Kriegsspiel, mit dem sich die Soldaten die Zeit vertrieben und gleichzeitig Grausamkeit gegen Menschen übten, wurde ein Karnevalsbrauch, der noch heute (!!!) in Wattenscheid ausgeübt wird.

Tierschützer protestieren seit Jahren gegen das Gänsereiten, nicht nur weil es ihrer Meinung nach gegen das Tierschutzgesetz verstößt. „Es geht darum, Ehrfurcht vor dem Leben zu vermitteln. Wenn Kindern hier genau das Gegenteil vermittelt wird, nämlich das es in Ordnung ist, ein Tier für Gaudi zu töten und ihm dann als Ziel des Wettkampfes den Kopf abzureißen, ist das eine völlig falsche Entwicklung“.

In Wattenscheid-Höntrop, und nur hier, darf sich eine Woche vor Rosenmontag bereits der Nachwuchs darin üben, einer Gans den Kopf abzureißen. (Kinder !!!)

Nach den Werten, die dabei vermittelt werden sollen und überhaupt nach Sinn und Zweck des Gänsereitens gefragt , wird auf die große Zustimmung in der Wattenscheider Bevölkerung und die über 400-jährige Tradition des Vereins verwiesen.

Mithilfe des Strafrechts konnten Tierschützer diese Tradition nicht stoppen. Zwar steht das Töten eines Tieres ohne vernünftigen Grund unter Strafe, aber, so die Dortmunder Staatsanwälte: „Ein Verstoß gegen § 17 Tierschutzgesetz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die bei dem Fest verwendete Gans nach dem so genannten Gänseköppen anschließend verzehrt worden ist.“

Ein juristischer Gegner des Gänsereitens: „Primärer Grund der Tötung ist die Ausübung eines gewaltsamen Unterhaltungsrituals, was einen Verstoß gegen Art. 20 a des Grundgesetzes und § 17 Tierschutzgesetz darstellt. Ist aber damit der eigentliche bzw. primäre Grund der Tötung rechts- bzw. sogar verfassungswidrig, kann die Tötung nicht durch eine Nebenfolge (Verzehr) wieder legalisiert werden.“

Aus Sicht der Ordnungsämter in Dortmund, Essen und Bochum ist gegen das Gänsereiten strafrechtlich nicht anzukommen.

Ob auch die Wattenscheider Vereine, wie viele andere Karnevalsvereine der Gegend,  auf eine Attrappe umsteigen werden? Nein, haben sie nicht vor.

Als Symbol für den respektlosen Umgang mit Tieren ist das Gänsereiten  kaum zu überbieten.